Hirschvogel – auf Augenhöhe mit den Banken
Der Autozulieferer Hirschvogel gewährt seinen Geldgebern einen tiefen Blick in die Bücher. Dafür will er aber auch wissen, wie die Institute rechnen. Mit viel Geschick können die Bayern die Kreditkonditionen diktieren.
Der Lärm schlägt einem wie eine Faust ins Gesicht. Das Vibrieren des Bodens macht einen taumeln. Mit der Wucht von 2000 Tonnen prügelt die riesige Maschine ein Stück Stahl zu einer Antriebswelle. Die Urgewalt, die beim Automobilzulieferer Hirschvogel wütet, überwindet auch die Wände der Werkshalle. Selbst im Büro von Josef Baumeister sind die rhythmischen Schläge noch zu spüren. Doch der liebt diese Taktung: „Wir sind derzeit an allen Standorten nahezu voll ausgelastet“, freut sich der Finanzchef, der gemeinsam mit Manfred Hirschvogel die Geschäftsführung der oberbayerischen Hirschvogel Holding bildet.
och vor einem Jahr brütete Baumeister über finsteren Zahlen. Die Kundschaft, darunter alle deutschen Autokonzerne, strich ihre Aufträge rigoros zusammen. Um fast die Hälfte brach der Umsatz im ersten Quartal 2009 ein, das Gros der fast 3000 Beschäftigten in den sechs Hirschvogel-Werken musste kurzarbeiten. Und ausgerechnet damals stand die Verlängerung und Ausweitung von Kreditlinien an. Doch der Zulieferer bekam das Geld von den Banken. „Und das zu kaum schlechteren Konditionen als vor der Krise“, konstatiert der Finanzchef.
Baumeister erklärt den Erfolg mit dem offenen Dialog, den er mit allen Kapitalgebern pflegt. Alle drei Monate bekommen Banken, Kreditversicherer und Halter stiller Anteile aktuelle Geschäftsdaten. Zusätzlich zur Jahresbilanz erhalten sie mittlerweile auch eine Dreijahresplanung. Und einmal im Jahr lädt Hirschvogel die Finanzierungspartner zu einer „Bankenrunde“ ein, in der die jüngsten Zahlen erläutert und diskutiert werden.
Eine ungewöhnliche Offenheit für ein Familienunternehmen. Sie brachte Hirschvogel am Dienstag in Köln den „Preis für die beste Finanzkommunikation im Mittelstand“ ein. Die Auszeichnung vergibt der Kreditversicherer Euler Hermes gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Commerzbank, dem Bundeswirtschaftsministerium, sowie dem Magazin impulse und der Financial Times Deutschland.
Der Preis ist Baumeisters Erfolg. Kaum hatte der frühere Banker 2003 bei Hirschvogel den Posten als CFO angetreten, beginnt er die Finanzkommunikation des Familienunternehmens auszubauen. Von den Kreditgebern fordert er die gleiche Transparenz. Baumeister möchte genau wissen, mit welchem Risikoaufschlag und welcher Ausfallwahrscheinlichkeit die Banken kalkulieren. Außerdem sollen die Institute ihm das Firmenrating verraten und in die Systematik von Standard & Poor’s übersetzen. Nur so kann er die einzelnen Geldhäuser vergleichen. Baumeisters Ziel: „Mit den Banken auf Augenhöhe verhandeln zu können.“ Wie ernst es ihm damit ist, merken die Geldgeber schnell: „Die Kreditkonditionen geben wir in Abhängigkeit unserer Bonitätsentwicklung selbst vor.“
Baumeister legt jeder seiner fünf Kernbanken denselben Kreditvertrag vor – die Bedingungen verhandelt er zuvor mit den Geldhäusern aus. Daran hielt er auch fest, als im April 2009 die größte der fünf Banken nur noch zu stark verschärften Kreditklauseln weiter Geld geben wollte. Baumeister kündigt.
„Sofern die Geschäftspolitik nicht konform zu unseren langfristigen Unternehmenszielen ist, muss die Bank ersetzt werden“, umschreibt Baumeister den Vorgang heute diplomatisch. Trotz Finanzkrise hat er nach langen Verhandlungen eine Bank gefunden, die die Lücke schließt. „Und das zu unseren Bedingungen.“